Verwaltungsgericht Düsseldorf, 26 K 258/15 vom 29.04.2022
Das Verwaltungsgericht Düsseldorf hat mit seiner erst jüngst im Volltext veröffentlichten Entscheidung vom 29.04.2022, Az.: 26 K 258/15 einen besonderen Weg beschritten. In der Vergangenheit wurde durch die Verwaltungsgerichte in der Regel vorrangig geprüft, ob das Besoldungs- bzw. das Besoldungsreparatur – Gesetz den materiellen Anforderungen des Alimentationsprinzips genügt.
(Vergl. „Steht danach fest, dass die zur Prüfung gestellte Besoldung den materiellen Anforderungen des Alimentationsprinzips nicht genügte, bedarf die Frage nach der Beachtung der prozeduralen Anforderungen keiner weiteren Betrachtung (vgl. BVerfG, Beschluss vom 4. Mai 2020 – 2 BvL 4/18 – Juris Rn. 180).“ Hiernach wurden die prozeduralen Anforderungen des Alimentationsprinzips an die jeweiligen Besoldungsgesetzgeber regelmäßig gar nicht in Augenschein genommen!
Das VG Düsseldorf zäumt nun das Pferd genau anders herum auf, indem es in seiner o. a. Entscheidung feststellt, dass das streitgegenständliche Besoldungsgesetz verfassungswidrig ist, weil „der Gesetzgeber … seiner Begründungspflicht, die zu den aus der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts (Urteil vom 14. Februar 2012 – 2 BvL 4/10 -, BVerfGE 130, 263 ff.) folgenden Prozeduralisierungspflichten gehört, nicht hinreichend gerecht geworden ist “ ((Faktisch „Einziger“) Leitsatz der Entscheidung). Vergl. Rn. 162 und Rn 163 der eingangs angeführten Entscheidung: „Die Prozeduralisierung zielt auf die Herstellung von Entscheidungen und nicht auf ihre Darstellung, das heißt nachträgliche Begründung. Vgl. BVerfG, Urteil vom 14. Februar 2012 – 2 BvL 4/10 -, a.a.O., Rn. 163 ff., sowie Beschlüsse vom 16. Oktober 2018 – 2 BvL 2/17 -, a.a.O., Rn. 20 f., und vom 4. Mai 2020 – 2 BvL 4/18 -, a.a.O., Rn. 96 f. b. Gemessen an diesen Vorgaben ergibt sich die Verfassungswidrigkeit der im Tenor bezeichneten Regelung bereits daraus, dass der Landesgesetzgeber den in der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts entwickelten prozeduralen Anforderungen, insbesondere den Begründungspflichten im diesbezüglichen Gesetzgebungsverfahren nicht in zureichendem Maße Genüge getan hat. Keiner Entscheidung bedarf angesichts dessen, ob darüber hinaus die im Tenor bezeichnete Regelung … materiell nicht den sich aus Art. 33 Abs. 5 GG ergebenden verfassungsrechtlichen Anforderungen genügt.“
Vergl. Rn. 269 der eingangs angeführten Entscheidung „Zwar lassen die Gesetzgebungsmaterialien beider Gesetzgebungsverfahren erkennen, dass sich der Gesetzgeber seiner Pflicht zur Prozeduralisierung bewusst war. Im Ergebnis ist er den sich hieraus ergebenden Anforderungen jedoch nicht vollständig gerecht geworden. Es fehlt in allen Gesetzgebungsmaterialien aus beiden vorgenannten Gesetzgebungsverfahren sowohl an der Darlegung oder zumindest Erkennbarkeit einer nachvollziehbaren Methode zur Ermittlung der Fortschreibung der Besoldungshöhe als auch – in unmittelbarem Zusammenhang hiermit stehend – an der hinreichenden Dokumentation, dass die für die Fortschreibung der Besoldungshöhe jedenfalls im Mindestmaß erforderlichen Tatsachen erhoben wurden. Angesichts dessen fehlt es prozedural bereits an der hinreichenden Tatsachengrundlage für die darüber hinaus vorzunehmende Darstellung der vom Gesetzgeber getroffenen Abwägungsentscheidung. Ob die Darstellung der Abwägungsentscheidung im Übrigen den an sie gestellten prozeduralen Anforderungen gerecht wird, ist deshalb nicht entscheidungserheblich.“
Die o. a. Entscheidung dürfte – nach meiner persönlichen Einschätzung – zukünftig eventuell stärker dazu führen, dass die für alle 17 Besoldungsgesetzgeber zuständigen Verwaltungsgerichte sich verstärkt die Rechtsauffassung des VG Düsseldorf in der genannten Entscheidung zu eigen machen werden, nicht zuletzt deshalb, weil per dato kein einziges aktuell gültiges Besoldungsgesetz den vorgenannten zwingenden Vorgaben vollumfänglich entspricht, wodurch die Verfassungswidrigkeit sämtlicher Besoldungsgesetze sehr plastisch belegt ist. Hierdurch bedarf es dann eines „verhältnismäßig“ geringen Aufwandes (im Vergleich zur bisher gängigen Verfahrensweise) um einen Vorlagebeschluss bezüglich des zu überprüfenden Besoldungs- bzw. das Besoldungsreparatur – Gesetzes zu fertigen. Die Verfahrenslängen werden sich generell zukünftig durch die 2020er-Entscheidung des BVerfG, welche die o. a. Entscheidung des VG Düsseldorf erst ermöglicht hat, deutlich verkürzen, weil allein durch die Verletzung des Mindestabstandsgebots sogleich ein Vorlagebeschluss bereits in der ersten Instanz gefasst werden kann/gefasst wird, wodurch sich die Gesamtverfahrensdauer der künftigen Verfahren deutlich verkürzen werden wird. Aus den dargelegten Gründen stellt die o. a. Entscheidung des VG Düsseldorf nach meiner persönlichen Einschätzung einen weiteren sehr gewichtigen Schritt, um nicht zu sagen einen Meilenstein, hin zu einer zeitnah amtsangemessenen Alimentation aller Beamten Deutschlands dar.
Jürgen Schmitt
Hallo Jürgen, vielen Dank für deine Information und Darstellung der Situation ! Fazit : was ist nun von gewissen Gremien oder persönlich zu veranlassen ? Gibt es Vorgehensweisen der Gewerkschaften ?
Danke für eure weiteren Bemühungen ! Gruß
Hallo Thomas,
ein Feuerwehrmann aus Berlin wartet im Rechtsstaat Deutschland, mindestens seit dem Jahr 2008, immer noch, auf seine amtsangemessene und qualitätssichernde Alimentation, weil das BVerfG über den diesbezüglichen Vorlagebeschluss des BVerwG zur A – Besoldung des Feuerwehrmannes bis dato immer noch nicht entschieden hat. Das Abschiedsgeschenk des damals zeitnah scheidenden Präsidenten des BVerfG, Herrn Prof. Dr. Dr. Vosskuhle, der Beschluss 2 BvL 4/18 vom 04.052020 ist nun auch schon älter als 2 Jahre. Dr. Torsten Schwan hat in seiner Veröffentlichung in der Zeitschrift DÖV (Die öffentliche Verwaltung) Heft 5 – März 2022 belegt, dass alle 17 deutschen Besoldungsgesetzgeber ihre Beamten in der untersten im Landeshaushalt ausgewiesenen Besoldungsgruppe, mindestens seit dem Jahr 2008, also bereits im 15. Jahr, mit monatlich ca. rund 500,- Euro (netto) zu niedrig alimentieren. Alle deutschen Beamten bis hinein in die Besoldungsgruppe A10 werden hiernach, mindestens seit dem Jahr 2008, unterhalb des Sozialhilfeniveaus alimentiert!
Was ist von den „Gremien“ zu tun? Diese sollten sich ein Beispiel am dbb – Thüringen nehmen und ihren Mitgliedern Rechtschutz gewähren. (https://www.thueringer-beamtenbund.de/aktuelles/news/tbb-macht-ernst-klage-gegen-beamtenbesoldung-eingereicht/)
Was sollte ein Jeder persönlich tun? Er sollte sich ein Beispiel an den Hamburger Beamten nehmen und persönlich Klage einreichen (https://www.dbb-hamburg.de/aktuelles/news/sachstand-zu-den-widerspruchs-und-klageverfahren-zur-amtsangemessenen-alimentation-der-beamtinnen-und-beamten/#:~:text=f%C3%BCr%20unser%20Hamburg-,Sachstand%20zu%20den%20Widerspruchs%2D%20und%20Klageverfahren%20zur,Alimentation%20der%20Beamtinnen%20und%20Beamten&text=Wie%20hinl%C3%A4nglich%20bekannt%20haben%20rund,die%20Bez%C3%BCgemitteilung%20Dezember%202020%20eingelegt.)
22.550 Widersprüche nur für das Jahr 2020, denen zumindest 7. 500 Klagen, nur in Hamburg, folgten. Dies obwohl, oder gerade weil der Hamburger Senat – übrigens als einziger der 17 Besoldungsgesetzgeber – bereits Rückstellungen im Haushalt gebildet hat. („Der Senat hat die Bürgerschaft mit der Drucksache 22/3821 am 6. April darüber informiert, dass im Abschluss des Haushaltsjahres 2020 Rückstellungen in Höhe von 460,6 Mio. Euro für das Risiko von Besoldungs- und Versorgungszahlungen im Zusammenhang mit Klageverfahren auf Gewährung einer amtsangemessenen Alimentation zu bilden sind. Weitere Hintergründe unter diesem Link. (https://hamburg.dgb.de/++co++5de648e0-9d1c-11eb-a42d-001a4a160123)
Die übrigen 16 Besoldungsgesetzgeber verstoßen in ihren Haushalten, zumindest grob fahrlässig, gegen die Grundsätze der Haushaltsklarheit und Haushaltswahrheit!
Ruhende Verfahren bringen, wie bereits a. a. O. geschrieben lediglich Eines: dem Dienstherrn Ruhe.