Erarbeitet mit RA Merkle und dem Deutschen Richterbund in Berlin
KHK André Grashof 01.12.2017
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Verfassungswidrige Besoldung – Neues Besoldungsgesetz 2017 / 2018 – Widerspruch aufgrund offensichtlicher erneuter Verletzung von verfassungsrechtlichen Vorgaben – auch gegen die festgesetzte Höhe der Sonderzahlung
Sehr geehrte Damen und Herren,
hiermit widerspreche ich der Höhe der mir im Jahr 2017 gewährten Besoldung. Diese ist auch unter Berücksichtigung der Änderungen durch das Gesetz zur Anpassung der Besoldung und Versorgung für das Land Berlin 2017 und 2018, zur Änderung des Sonderzahlungsgesetzes und zur Änderung weiterer besoldungsrechtlicher Vorschriften (BerlBVAnpG 2017/2018) verfassungswidrig zu gering bemessen.
Auch wenn ich derzeit bereits Klage gegen die verfassungswidrige Besoldung der vergangenen Jahre erhoben habe, scheint es zur Rechtssicherheit geboten, erneut Widerspruch einzulegen, um meine Ansprüche zu wahren.
Alternativ zum vorherigen Absatz – sofern bislang keine Klage eingereicht wurde:
Auch wenn ich in der vergangenen Zeit bereits Widerspruch gegen die – meiner Ansicht nach – verfassungswidrige Besoldung eingelegt habe, scheint es zur Rechtssicherheit geboten, erneut Widerspruch einzulegen, um meine Ansprüche zu wahren.
Begründung:
Ungeachtet aller sachlich vorgetragenen Hinweise und Darlegung der Rechtsprechung durch den Unterzeichnenden und die Gewerkschaften hält der Berliner Senat an seiner rechtlich zumindest fragwürdigen Haltung fest. Darüber hinaus verweise ich auf die Entscheidungen des Bundesverwaltungsgerichts vom 22.09.2017 (BVerwG 2 C 56.16; BVerwG 2 C 57.16; BVerwG 2 C 58.16; BVerwG 2 C 4.17; BVerwG 2 C 5.17; BVerwG 2 C 6.17; BVerwG 2 C 7.17; BVerwG 2 C 8.17). Die Berliner Besoldung war danach in den Jahren 2008 bis 2015 bereits in verfassungswidriger Weise zu niedrig bemessen. Ich vertrete die Auffassung, dass meine Besoldung spätestens ab dem Jahr 2008 und fortlaufend nicht der verfassungsrechtlich gebotenen amtsangemessenen Alimentierung entsprochen hat. Das neue Besoldungsgesetz beseitigt keinesfalls die vorhandenen Vorwürfe auf Verfassungswidrigkeit sondern schafft nur neue rechtswidrige Situationen. Dies wurde auch durch den Deutschen Richterbund in Berlin (DRB) wie folgt dargestellt (wobei in dem folgenden Zitat noch das Wort „Entwurf“ für das jetzige Besoldungsgesetz verwendet wurde):
„Mit der Erhöhung erst zu August ergibt sich auch prozentual eine weitaus geringere Besoldungserhöhung für die betroffenen Jahre. Im gesamten Jahr 2017 steigen die Grundgehalts-sätze nur um 1,04 %, im Jahr 2018 nur um 1,25 %. Damit verstößt der Entwurf gegen Art. VI BerlBVAnpG 2014/2015, wonach die zukünftigen Anpassungen mindestens um 0,5 vom Hundert über dem entsprechenden Durchschnittswert der Anpassungen aller anderen Bundesländer liegen müssen.
Nach Abzug der Zuführung an die Versorgungsrücklage werden gemäß dem Entwurf die Grundgehaltssätze im Jahr 2017 nur um 2,5 % erhöht. Auch das verstößt gegen Art. VI BerlBVAnpG 2014/2015, da in Unkenntnis der tatsächlichen Erhöhungen der anderen Bundesländer der Wert von 2,0 % nach dem Tarifabschluss TV – L nur um 0,5 Prozentpunkte erhöht wird. Angesichts der Streitigkeiten um die Verfassungsmäßigkeit der Besoldung und der noch laufenden Gesetzgebungsverfahren, ist in mehreren Ländern mit deutlicheren Besoldungserhöhungen zu rechnen, so dass ein Zuschlag von „nur“ 0,5 % nicht ausreichend ist, die gesetzlichen Vorgaben zu erfüllen.
Mit der geplanten Erhöhung verstößt der Entwurf zudem gegen die Richtlinien der Regierungspolitik. Nach der Koalitionsvereinbarung der regierenden Parteien wird die „Beamt*innenbesoldung … in Berlin bis 2021 an den Durchschnitt aller Länder angepasst“ (vgl. Kapitel Haushalts – und Finanzpolitik, Bl. 69 a.E.). Die derzeit geplante geringfügige Erhöhung ist angesichts der Besoldungserhöhungen der anderen Bundesländer nicht ansatzweise geeignet, den Besoldungsrückstand bis 2021 abzubauen.
Die unterschiedliche Behandlung der Besoldungsgruppen A4 – A9 und ab A10 halten wir insofern sogar für verfassungswidrig. Wir fordern eine Integration der Sonderzahlungen in die Gehaltstabellen für alle Besoldungsgruppen. Die Sonderzahlungen sind nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts berücksichtigungsfähige Besoldungsbestandteile. Die Erhöhung der Sonderzahlung in den unteren Besoldungsgruppen um 56,25 % bzw. 103,12 % führt bei einer Anhebung in den übrigen Besoldungsgruppen von 25 % bzw. 40,6 % zu einer offensichtlich verfassungswidrigen Verletzung des Abstandsgebotes (hierzu BVerfG, Urteil vom 05. Mai 2015 – 2 BvL 17/09 –, BVerfGE 139, 64 – 148, Rn. 110 – 112, zitiert nach juris). Dieses Abstandsgebot gibt der Entwurf mit einer Abkehr von einer einheitlichen Sonderzahlungshöhe
auf. So verringert sich beispielsweise der Abstand der Besoldungsgruppen A9 und A10 zwischen 2016 und 2018 um knapp 17 Prozent – eine klar verfassungswidrige Entscheidung.
Die von der Verwaltung beabsichtigte soziale Staffelung der Besoldung liegt bereits darin, dass die Sonderzahlung unabhängig von der Höhe des Grundgehaltes gewährt wird und sich bei geringerem Grundgehalt prozentual um ein Vielfaches auswirkt. Darüber hinaus folgt die Zuordnung zu einer Besoldungsgruppe der Eignung, Leistung und Befähigung und stellt keine soziale Komponente dar.
Ein junger Wachtmeister wird im Dezember 2018 10,32 % mehr verdienen als im Jahr 2016. Demgegenüber wird sich die Besoldung der Kolleginnen und Kollegen des höheren Justizdienstes in der Endstufe R1 nur um 5,77 % erhöht haben. Die Erhöhungen im Bereich A5 dürften zwar das Mindeste dessen sein, was erforderlich ist, um die Besoldung aus dem Bereich der evidenten Verfassungswidrigkeit zu heben. Mit welcher Rechtfertigung indes diese Erhöhungen dem gehobenen und höheren Dienst vorenthalten werden dürften, ist nicht ersichtlich.
Schließlich rügen wir die Begründung des Gesetzentwurfs. Dieser wird den vom Bundesverfassungsgericht aufgestellten prozeduralen Anforderungen nicht ansatzweise gerecht.
Die Missachtung der Vorgaben des Bundesverfassungsgerichts zeigt erneut, dass dem Entwurf allein finanzielle Aspekte und keine wertende Betrachtung des Alimentationsgefüges zugrunde liegen.“ (Ende des Zitats des DRB Berlin)
Meiner Ansicht nach ist auch das Urteil des BVerfG z. Az.: 2 BvR 883/14, 905/14 vom 23.05.17, erschienen am 07.07.17, zum Thema: „Verzögerte Besoldungsanpassungen für sächsische Beamte der Besoldungsgruppen A 10 aufwärts verfassungswidrig“ absolut auf das Land Berlin übertragbar. U.a. wird in dem Urteil festgestellt, dass die verzögerte Übertragung der Tarifergebnisse durch die Besoldungsanpassung 2008 mit Art 33 Abs. 5 GG und Art. 3 Abs. 1 GG unvereinbar ist. Weiterhin fehlt es nach Auffassung des BVerfG insbesondere an einem sachlichen Grund für die Benachteiligung der Beamten der Besoldungsgruppen A 10 aufwärts gegenüber den Beamten bis zur Besoldungsgruppe A 9 nachdem diese zu unterschiedlichen Zeiten eine Besoldungserhöhung erhalten haben.
Damit dürfte deutlich sein, dass die in Berlin (spätestens) seit dem Jahr 2010 praktizierte Verfahrensweise, die Beamtenbesoldung von der Tarifentwicklung abzukoppeln und die Beamten dadurch sowohl zeitlich als auch in der Höhe der im Kalenderjahr tatsächlich gewährten Erhöhung gegenüber den Tarifangestellten zu benachteiligen, bis heute verfassungswidrig ist.
Ebenso wird deutlich, dass die im jetzigen Berliner Besoldungsgesetz für 2017 / 2018 festgelegte Ungleichbehandlung der Besoldungsgruppen von A 4 bis A 9 zu den dann folgenden höheren Besoldungsgruppen ebenfalls verfassungswidrig ist, da diese Maßnahme ausschließlich fiskalische Gründe hat.
Demzufolge ist festzustellen, dass die Beamtenschaft in Berlin erneut und auch in Zukunft nicht verfassungsgemäß besoldet wird. Daher lege ich hiermit Widerspruch sowohl gegen die Höhe der Besoldung, als auch gegen die Höhe der gewährten Sonderzahlung wie auch anderer Besoldungsbestandteile ein.
Da zu erwarten sein dürfte, dass der Berliner Senat – wie auch früher schon – weiterhin unbeeindruckt von all den ihm gegenüber vorgetragenen Fakten und dem eindeutigen Hinweis des BVerwG vom 22.09.2017 beharrlich an seinen fragwürdigen rechtlichen Entscheidungen festhalten wird, ist auch hier ein Urteilsspruch des BVerfG notwendig, um den Berliner Senat zu einem Handeln zu zwingen.
Aus Sicht der Prozessökonomie beantrage ich daher, das hier laufende Verfahren auszusetzen bzw. zum Ruhen zu bringen.
Da nicht absehbar ist, wann eine Entscheidung des BVerfG ergeht, darf ich weiter darum bitten, dass Sie mir gegenüber auf die Einrede der Verjährung verzichten.
Um den Nachweis des zeitgerechten Widerspruchs führen zu können, wird um eine Eingangsbestätigung gebeten (gerne auch per E-Mail).
Mit freundlichen Grüßen
Grashof, André, KHK
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