Frage: Wie lange kann ein Verwaltungsgerichtsverfahren bis zum BVerfG dauern, damit der Grundsatz eines effektiven Rechtsschutzes gewahrt bleibt? Ist eine Verfahrensdauer von 17 Jahre gerechtfertigt?
Eine Verfahrensdauer von 17 Jahren bis zum Bundesverfassungsgericht (BVerfG) ist in der Regel nicht mit dem Grundsatz des effektiven Rechtsschutzes nach Art. 19 Abs. 4 GG und dem Recht auf ein faires Verfahren (Art. 6 EMRK i.V.m. Art. 20 Abs. 3 GG) vereinbar. Dieser Zeitraum ist deutlich zu lang, es sei denn, es liegen außergewöhnliche Umstände vor, die eine derartige Dauer rechtfertigen.
Maßstab: Effektiver Rechtsschutz und überlange Verfahrensdauer
1. Art. 19 Abs. 4 GG – Effektiver Rechtsschutz:
Dieser garantiert, dass jede Person bei Verletzung ihrer Rechte durch die öffentliche Gewalt einen wirksamen und zeitgerechten Rechtsschutz durch die Gerichte erhält.
2. Art. 6 Abs. 1 EMRK – Recht auf ein faires Verfahren:
Die EMRK verlangt, dass Verfahren „innerhalb angemessener Frist“ durchgeführt werden.
3. §§ 198 ff. GVG – Entschädigung wegen überlanger Verfahrensdauer:
Das deutsche Recht erkennt mit diesen Vorschriften an, dass eine überlange Dauer einen justiziablen Verstoß darstellt.
Wann ist ein Verfahren „überlang“?
Ob ein Verfahren überlang ist, wird anhand folgender Kriterien bewertet:
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Komplexität des Verfahrens
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Verfahrensführung durch die Beteiligten und das Gericht
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Verhalten der Parteien (z. B. Verzögerung durch Anträge oder Versäumnisse)
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Bedeutung der Sache für den Kläger
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Dauer jedes einzelnen Verfahrensabschnitts (VG, OVG, BVerwG, ggf. BVerfG)
Nach ständiger Rechtsprechung des BVerfG und des EGMR sind Verfahren über mehrere Jahre (z. B. > 5 Jahre) bereits kritisch, sofern keine triftigen Gründe bestehen.
Der EGMR hat in zahlreichen Entscheidungen selbst bei 5–7 Jahren Verfahren bereits eine Verletzung von Art. 6 Abs. 1 EMRK angenommen.
17 Jahre – Gerechtfertigt?
In aller Regel nein.
Ein Verfahren, das sich über 17 Jahre zieht, ist nur in absoluten Ausnahmefällen gerechtfertigt:
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z. B. zahlreiche gerichtliche Instanzen,
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objektiv notwendige Aussetzungen (z. B. parallel laufende Musterverfahren),
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außergewöhnlich komplexe Tatsachen- und Rechtslage.
Aber selbst dann müsste das Gericht aktiv auf eine Verfahrensbeschleunigung hinwirken. Eine bloße Überlastung oder ineffiziente Geschäftsverteilung genügt nicht als Rechtfertigung.
Beispielhafte Rechtsprechung:
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BVerfG, Beschluss vom 20.02.2013 – 1 BvR 14/12:
Verfahrensdauer von über 10 Jahren im sozialgerichtlichen Verfahren wurde als Verletzung des Art. 19 Abs. 4 GG eingestuft. -
EGMR, Urteil Kudła ./. Polen (2000):
Der Staat ist verpflichtet, Verfahren innerhalb angemessener Frist abzuschließen, ansonsten liegt ein Konventionsverstoß vor.
Fazit:
Eine Verfahrensdauer von 17 Jahren in einem verwaltungsgerichtlichen Verfahren bis zum BVerfG ist in der Regel nicht gerechtfertigt und stellt einen Verstoß gegen das Grundrecht auf effektiven Rechtsschutz sowie gegen Art. 6 EMRK dar – es sei denn, es liegen sehr spezifische und außergewöhnliche Gründe vor.
Du kannst ggf. auch eine Entschädigung nach § 198 GVG verlangen, falls dadurch ein Nachteil entstanden ist.
https://www.ndr.de/nachrichten/schleswig-holstein/streit-um-weihnachtsgeld-fuer-beamte-in-sh-geht-weiter,shnews-336.html
Da stellt sich mir die Frage der Klageberechtigung. Kann jeder der Klage eingereicht hat und dessen Klage ruht eine Entschädigung verlangen? Oder sind nur die Verfahrensbeteiligten beim BVerfG dazu berechtigt. Das Ruhen des Verfahrens hat ja den Zweck die Gerichte nicht zusätzlich mit einem Verfahren zu belasten das in gleicher Sache von einem höheren Gericht schon bearbeitet wird. Ein Schaden entsteht ja schon dadurch das der Sachverhalt im Einzelfall bis zur Urteilsverkündung nicht weiter verfolgt wird. Man stelle sich vor, alle die Klage eingereicht haben müssen Entschädigt werden.
Unfassbar, aber auch nicht unerwartet, dass versucht wird das auszusitzen. Können wir mehr juristischen Druck ausüben?
Dank an alle Beteiligten das Ihr so lange dran bleibt!