In der Praxis des Beamtenrechts spielt die zeitnahe Geltendmachung von Ansprüchen eine zentrale Rolle – insbesondere dann, wenn es um die sogenannte amtsangemessene Alimentation geht. Das jüngste Urteil des Oberverwaltungsgerichts (OVG) Berlin-Brandenburg vom 13. November 2025 (Aktenzeichen: OVG 4 B 4/24) verdeutlicht erneut, wie entscheidend es für Beamtinnen und Beamte ist, Widersprüche gegen als verfassungswidrig empfundene Besoldung rechtzeitig und in angemessener Form zu erheben, um rechtliche Ansprüche nicht zu verwirken.
Die Klägerin, eine Beamtin in der Besoldungsgruppe A5, hatte bereits im Jahr 2016 Widerspruch gegen ihre als zu niedrig empfundene Besoldung eingelegt und Klage erhoben. In den Jahren 2020 bis 2022 legte sie jedoch keinen erneuten Widerspruch ein, obwohl in diesem Zeitraum neue Besoldungsanpassungsgesetze in Kraft traten – konkret das Berliner Besoldungsanpassungsgesetz 2019/2020, das signifikante Erhöhungen vorsah. Ziel des Gesetzes war es ausdrücklich, ein Alimentationsdefizit zu beheben und die Berliner Besoldung bis 2021 an den Durchschnitt der anderen Bundesländer anzugleichen.
Das OVG bestätigte die Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts und betont, dass ein einmaliger, zukunftsgerichteter Widerspruch grundsätzlich für mehrere Haushaltsjahre genügt – es sei denn, es tritt eine erhebliche Änderung der Sach- oder Rechtslage ein.
Im vorliegenden Fall lag eine solche Änderung vor. Der Gesetzgeber hatte mit dem BerlBVAnpG 2019/2020 explizit ein Alimentationsdefizit anerkannt und Maßnahmen zur Korrektur ergriffen. Aufgrund dieser neuen Rechtslage war die Beamtin verpflichtet, erneut klarzustellen, dass sie ihr Begehren nach höherer Besoldung weiter aufrechterhält – andernfalls erlischt der Anspruch auf Feststellung einer verfassungswidrigen Unteralimentation.
Das Gericht betonte dabei das wechselseitige Treueverhältnis zwischen Dienstherr und Beamtin: Der Dienstherr darf davon ausgehen, dass nach einer gesetzlichen „Reparaturmaßnahme“ keine weiteren Ansprüche bestehen, es sei denn, der Beamte macht diese explizit geltend.
Für Beamtinnen und Beamte hat das Urteil mehrere praktische Konsequenzen. Ein Widerspruch ist kein „Daueranspruch“: Selbst wenn ein Widerspruch explizit „für die Zukunft“ formuliert ist, kann er durch erhebliche Rechtsänderungen erledigt sein – etwa durch ein neues Besoldungsgesetz, das Alimentationsdefizite korrigieren will. Tritt ein neues Besoldungs- oder Anpassungsgesetz in Kraft – insbesondere wenn es ausdrücklich auf die Beseitigung verfassungsrechtlicher Mängel abzielt – muss der Widerspruch erneuert werden, um Rechtsnachteile zu vermeiden. Eine zeitnahe Geltendmachung bleibt zwingend: Nach ständiger Rechtsprechung (u. a. BVerwG, BVerfG) muss ein Widerspruch spätestens im selben Haushaltsjahr erhoben werden, auf das sich die Besoldung bezieht. Spätere Rügen gelten nicht als „zeitnah“ und führen zum Ausschluss des Rechtsschutzes. Das Gericht lehnte den Einwand ab, dass die Pflicht zur erneuten Widerspruchserhebung für die Betroffene unzumutbar sei. Die Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts seit 2011 sei hinreichend klar gewesen – schutzwürdiges Vertrauen bestehe daher nicht.
Praktische Empfehlung: Beamtinnen und Beamte, die gegen ihre Besoldung vorgehen, sollten daher Widersprüche klar und zukunftsgerichtet formulieren, Änderungen im Besoldungsrecht aktiv verfolgen, bei neuen Gesetzen oder Anpassungen prüfen, ob eine erneute Geltendmachung erforderlich ist – und gegebenenfalls jährlich oder anlassbezogen Widersprüche wiederholen. Denn auch bei laufenden Verfahren kann es sinnvoll sein, formlos oder schriftlich den Fortbestand des Begehrens zu dokumentieren, etwa durch eine ergänzende Erklärung an die Personalstelle oder im Rahmen eines schwebenden Prozesses.
Hey Ihr Lieben,
nur kurz ergänzen möchte ich, dass es sich um ein OVG-Urteil handelt, in dem der Richter eine Revision nicht zugelassen hat. Das ist – meiner Ansicht nach – starker Tobak, denn wir alle wissen, wie wichtig eine solche Entscheidung für ALLE Widerspruchsführer ist. Der RA wird nach detaillierter Prüfung des schriftlichen Urteils gemeinsam mit der Klägerin und dem Finanzier des Ganzen besprechen, welche Möglichkeiten bestehen, gegen dieses Urteil und den Revisionsausschluss vorzugehen.
Meine persönliche Meinung ist: Obwohl der Dienstherr erst im Jahr 2018 erklärt hatte, dass es NICHT erforderlich ist, jedes Jahr Widerspruch einzulegen, sofern erkennbar ist, dass der Widerspruch in die Zukunft gerichtet ist, entschied der Richter gegen die Klägerin. Das halte ich für eine klare Fehlentscheidung. Manche können sich ggf. noch an die damalige Entscheidung desselben Gerichts zur Besoldung erinnern? Da hatte das OVG auch entschieden, dass die Besoldung vollkommen in Ordnung wäre… was davon zu halten war, wissen wir ja. ABER – Bitte daran denken – Widerspruch einlegen noch bis Ende Dezember!!!
Alles Gute, André
Meiner Meinung nach erkennt man hier ganz deutlich ein Muster. Wenn man bedenkt dass vermutlich nicht mal 1/3 der Landesbeamten in Berlin widersprochen (regelmäßig) bzw. geklagt haben in den letzten 15 Jahren, werden zukünftig eher noch weniger Beamte in Berlin gegen die Besoldung widersprechen.
Danke für für Infos 👍
Ist bestimmt „nur“ Zufall dass ausgerechnet vor dem BVerfG Urteil das OVG Berlin Brandenburg das Urteil bezüglich Widersprüche veröffentlicht hat 😂