Am 19. November 2025 hat das Bundesverfassungsgericht (BVerfG) einen Beschluss veröffentlicht, der die Berliner Beamtenbesoldung der Besoldungsordnung A für die Jahre 2008 bis 2020 mit wenigen Ausnahmen für verfassungswidrig erklärt. Damit wird eines der umfangreichsten Verfahren zur Beamtenbesoldung in der jüngeren Geschichte abgeschlossen – mit weitreichenden Folgen für Berlin und möglicherweise auch für andere Bundesländer.
Mehrere Berliner Beamtinnen und Beamte hatten geklagt, weil sie ihre Besoldung für nicht amtsangemessen hielten. Ihre Klagen blieben zunächst erfolglos. Das Oberverwaltungsgericht Berlin-Brandenburg und das Bundesverwaltungsgericht legten daraufhin dem BVerfG die Frage vor, ob die Besoldung in bestimmten Jahren und Besoldungsgruppen mit dem Alimentationsprinzip aus Art. 33 Abs. 5 GG vereinbar ist.
Das Bundesverfassungsgericht erweiterte die Prüfung jedoch deutlich: Statt nur einzelner Besoldungsgruppen und Jahre untersuchte es alle Besoldungsordnungen A und den gesamten Zeitraum 2008–2020.
Das Ergebnis ist eindeutig:
- Rund 95 % der geprüften Besoldungsfälle waren verfassungswidrig.
- Besonders betroffen: Die Jahre 2008–2020 in den Besoldungsgruppen A 4 bis A 11, teilweise sogar bis A 16.
- Berlin muss bis spätestens 31. März 2027 neue, verfassungskonforme Regelungen schaffen.
Das Bundesverfassungsgericht prüfte die Besoldung anhand eines dreistufigen Modells:
Mindestbesoldung
Die Besoldung darf nicht unter das Niveau fallen, das ein Leben oberhalb der Prekaritätsschwelle ermöglicht. Diese Schwelle liegt bei 80 % des Median-Äquivalenzeinkommens. In vielen Jahren unterschritten Berliner A-Besoldungen diese Grenze – vor allem in den Gruppen A 4–A 11.
Fortschreibungsprüfung
Der Gesetzgeber muss die Besoldung regelmäßig an die wirtschaftliche Entwicklung anpassen. Dazu vergleicht das Gericht die Besoldungsentwicklung mit:
- Tariflohnindex
- Nominallohnindex
- Verbraucherpreisindex
dem Abstandsgebot (Abstände zwischen den Besoldungsgruppen). In vielen Fällen wich die Besoldung deutlich von diesen Vergleichsgrößen ab, was eine „evidente Unteralimentation“ vermuten lässt.
Rechtfertigung
Eine verfassungswidrig niedrige Besoldung kann nur in Ausnahmefällen durch andere Verfassungsgüter gerechtfertigt sein.
- Allein leere Haushaltskassen genügen nicht.
- Das BVerfG fand keine ausreichenden Rechtfertigungsgründe.
Besonders kritisch sieht das Gericht Berlins Politik nach 2006:
- 2004–2010: faktische „Versteinerung“ der Grundgehälter, kaum Anpassungen
- Erste Erhöhungen nach 2010 wurden durch Streichung der Sonderzahlung kompensiert
- Trotz späterer Korrekturen blieb die Besoldung hinter der allgemeinen wirtschaftlichen Entwicklung zurück
Das führte zu einer dauerhaften Abkopplung der Beamtenbesoldung vom gesellschaftlichen Wohlstand.
Für Berlin bedeutet dies , dass die Besoldung rückwirkend neu bewertet und ab 2027 verfassungskonform gestaltet werden muss.
Haushalterisch wird das ein Milliardenprojekt!
Viele Beamte haben Anspruch auf eine Neuberechnung und möglicherweise Nachzahlungen, wenn sie rechtzeitig Widerspruch eingelegt haben.
Laufende Verfahren werden auf Grundlage des neuen Maßstabs beurteilt.
Das BVerfG betont, dass die Entscheidung Signalwirkung hat. Viele Länder hatten ähnliche Pausen bei ihren Besoldungsanpassungen – vergleichbare Verfahren könnten folgen.
Mit seinem Beschluss setzt das Bundesverfassungsgericht ein deutliches Zeichen: Beamtenbesoldung ist nicht beliebig kürzbar und muss der wirtschaftlichen Entwicklung folgen. Die Berliner Besoldungspolitik der Jahre 2008–2020 war in großen Teilen verfassungswidrig, weil sie Beamte einem nicht akzeptablen Armutsrisiko aussetzte und das Abstandsgebot verletzte.
Für Berlin beginnt nun eine Phase intensiver Neuregelungen – und Beamte in ganz Deutschland werden die Entscheidung aufmerksam verfolgen. Das Aktionsbündnis wird in den kommenden Tagen die Entscheidung intensiv studieren und für euch hier bewerten.
Danke für eure Antworten, Meinungen und Informationen…
Von der Seite eines Berliner Anwaltbüros
„Fazit:
Die Beschlüsse des BVerfG müssen durch den Berliner Gesetzgeber erst noch durch ein „Reparaturgesetz“ umgesetzt werden, wie auch bei der Besoldung der Berliner Richter und Staatsanwälte, über die das BVerfG bereits früher entschieden hatte. Für dieses Gesetz hat das BVerfG dem Land Berlin eine Frist bis zum 31.03.2027 gesetzt.
Erst wenn dieses Gesetz erlassen ist, werden die jeweils zuständigen Besoldungsstellen Nachberechnungen und Nachzahlungen vornehmen, wodurch sich dann die laufenden Verfahren erledigen werden. Demnach müssen die betroffenen Beamten weiterhin Geduld haben.“
18 Monate Zeit für den Berliner Senat um ein Reparaturgesetz zu verabschieden… bin gespannt !
@ Fragender : wie können wir zusammenkommen damit ich meine Schuld begleichen kann ?!
Dank an alle hier aktiv Mitwirkenden besonders André Grashof für das unermüdliche Nachfragen, Nachtragen von Daten und Fakten. Was die Presse angeht, so habe ich da meine eigene nicht gerade gut sprechende Meinung.
Jetzt bin ich mal auf die Reaktion des Senates gespannt und wie dieser damit umgeht. Immer die Verfassung zitieren und sich selbst nicht daran halten.
Jetzt ist ein Beschluss gefertigt, jetzt müssen sie (Senat) reagieren.
Also wünschen wir uns viel Glück und vielen Dank nochmal.
https://www.rbb24.de/panorama/beitrag/2025/11/berlin-beamte-besoldung-nachzahlung.html
„Der Beschluss bedeutet allerdings nicht, dass nun alle Berliner Landesbeamten Nachzahlungen zu erwarten haben. Eine rückwirkende Behebung der zu niedrigen Löhne sei nur bei den Klägern des Ausgangsverfahrens nötig und bei denjenigen Beamten, über deren Anspruch noch nicht abschließend entschieden sei, erklärte das Bundesverfassungsgericht.“
Hallo Mirko, folgende Passage in dem Text des rbb irritiert mich leicht…. Gibt es bereits Tendenzen / Informationen, ob man nun geklagt haben muss oder ob der übliche Widerspruch ausreichend war ? Danke, Gruß Thomas
Aus dem letzten Absatz ganz am Ende des Beschlusses:
„Angesichts der Besonderheiten des Beamtenverhältnisses ist eine rückwirkende Behebung nur hinsichtlich der Kläger der Ausgangsverfahren und hinsichtlich derjenigen Beamten erforderlich, über deren Anspruch noch nicht abschließend entschieden worden ist. Dabei kommt es nicht darauf an, ob ein förmliches Widerspruchs- oder Klageverfahren schwebt; entscheidend ist, dass sich die Beamten zeitnah gegen die Höhe ihrer Besoldung mit den statthaften Rechtsbehelfen gewehrt haben. Dadurch kann dem Haushaltsgesetzgeber nicht unklar geblieben sein, in wie vielen Fällen es möglicherweise zu Nachzahlungen kommen wird“
Heißt für mich: Jeder, der einmal im Jahr seinen Widerspruch eingereicht hat, ist safe, denn über diese Ansprüche wurde ja noch nicht entschieden, da die Widersprüche ruhend gestellt sind.
Sehe ich auch so!
In meinem Beamtenumfeld kenne ich viele Kollegen die nie ein Widerspruch eingelegt haben aus Bequemlichkeit oder anderen Gründen. Ich schätze mal das vielleicht die Hälfte aller Landesbeamten in Berlin widersprochen bzw. geklagt haben.
Im Beschluss steht, dass in etwa 100.000 Widerspruchsverfahren anhängig sind.
Passt irgendwie nicht dazu, dass es laut berlin.de nur 56.000 Beamte geben soll und deutet für mich darauf hin, dass die Widersprüche scheinbar einzeln gezählt wurden und somit ein ziemlich großer Teil nie Widerspruch eingelegt zu haben scheint.
Mir war die Sache mit der Altersdiskriminierung und der rechtzeitigen Geltendmachung damals eine Lehre…
Berlin hatte Ende 2024 ca. 56000 Landesbeamte.
Laut Aussage vom Finanzsenator hat Berlin 200 Millionen Euro sich für Nachzahlungen zurückgelegt.
Ich bezweifle aber stark dass dieser Betrag reicht.
Das hätten sie mal jährlich tun sollen.
3500 € pro Nase werden nicht reichen.
Ich füchte, dass diese Rechnung so pauschal nicht aufgeht: 200 Mio. verteilt auf 56.000 Beamte. Denn erstens haben sicher nicht alle beamteten Dienstkräfte überhaupt Widerspruch eingelegt. Dazu kommt noch, dass nicht alle von Beginn an, also ab 2008, Widerspruch erhoben haben im jeweils aktuellen Haushaltsjahr.
Auch von meiner Seite vielen Dank an alle, die hier und im Hintergrund aktiv waren und zu diesem Ergebnis beigetragen haben. Eine Frage stellt sich für mich (und wahrscheinlich auch für viele andere) hierbei. Wie sieht es eigentlich mit den Versorgungsbezügen für die Kollegen aus, die in der Zwischenzeit (in meinem Fall 2024) in Pension gegangen sind ? Da die Versorgungsbezüge ja auf dem letzten Grundgehalt beruhen, müsste doch dann auch eine Neuberechnung erfolgen. oder ?
Falls jemand dazu Infos hat, wäre es schön, mehr darüber zu erfahren.
Ich mag mir garnicht vorstellen wie die das für jeden einzelnen Anspruchsberechtigten berechnen wollen egal ob Beamter oder Versorgungsempfänger! Berlin würde gut dran tun wirklich JEDEN Landesbeamten auch rückwirkend zu entschädigen anstatt mühsam den anderen Weg zu gehen. Wir dürfen gespannt sein.
Was mich persönlich freut ist die doch gewaltige Berichterstattung seit heute früh in den Medien! Alle berichten darüber und jeder sieht was über viele Jahre hier in Berlin für Unrecht in Sachen Beamtenbesoldung passiert ist.
Ich denke das Ding ist durch und es ist so gewaltig dass es nicht mehr unterm Radar gehalten werden kann. Ich wünsche uns allen ein hochverdienten schönen Abschluss in der Sache. H
Danke euch allen für diese Leistung. Für das jahrelange Kämpfen…
Danke von uns allen zurück!